Ökologischer Umbau oder renditestarker Neubau?

Die aktuelle Bundesregierung glänzt durch Maßnahmen, die man vor der Bundestagswahl entschieden abgelehnt hat. Die Medien rechtfertigen dies als Tugend. Kritische Einsichten werden den realen Anforderungen angepasst. Dabei geht es in erster Linie darum, auch weiterhin die Gewinnerwartungen des Kapitals über die langfristigen Bedürfnisse der Gesellschaft zu stellen.

Im Baugewerbe stehen exemplarisch die ungehemmte Zunahme von Abriss und Neubau. Schon die politische Zielsetzung, bei relativ konstanten Bevölkerungszahlen jährlich 400.000 neue Wohnungen bauen zu wollen, wird nicht hinterfragt. Entspringt diese Zielsetzung den legitimen Bedürfnissen der Bevölkerung oder ist sie den Wachstumsinteressen von Investoren, Spekulanten oder der Baubranche geschuldet?

Wachstum, Wachstum über alles
Immer mehr, immer größer - das »beispiellose Branchenwachstum der vergangenen fünf Jahre« im Abrissgewerbe ist ein Irrweg. Till Briegleb beschreibt in brand eins, warum »all diese Probleme« auf dem Wohnungsmarkt politisch gelöst werden müssen und »nicht mit dem Betonmischer«. (brand eins 12/2022) Längst hat man erkannt, dass man mit immer mehr abreißen und neu bauen gewaltige Probleme schafft. Die CO2-Bilanz, der Energieaufwand und der Rohstoffverbrauch fordern deutlich dazu auf, bestehende Gebäude umzunutzen und umzubauen. Einzig, verschwenderischer Neubau erzielt deutlich höhere Renditen und Gewinne. Die Bodenspekulation und die Renditeerwartungen im hohen einstelligen Prozentbereich machen ökologische und soziale Umnutzung von Immobilien praktisch unbezahlbar.

Hinzu kommt, dass sich gewöhnliche Gewerbetreibende und durchschnittliche Mieter die mit hohen Renditen erbauten Immobilien immer weniger leisten können. Till Briegleb stellt dazu fest: die »unregulierte Immobilienspekulation hat zur Folge, dass sich die Mieten in den vergangenen Jahren völlig von der Gehaltsentwicklung abgekoppelt haben. In Berlin etwa stiegen sie zwischen 2009 und 2019 um mehr als 100 Prozent«.

Die aktuelle Baupolitik ist sozialpolitisch wirkungslos und für die Klimabilanz verheerend: »die Schaffung von 400 000 neuen Wohnungen pro Jahr und die CO2-Neutralität bis 2045 – widersprechen sich diametral«. Der Ausweg ist Umnutzung und Umbau, doch »wirtschaftlich ist das nicht«, heißt es in dem Beitrag. Anstatt jedoch die Rahmenbedingungen zu verändern, fördern auch rote und grüne Minister*innen, wider besseren Wissens, die falschen Entwicklungen. Politik für die Interessen des Finanzkapitals zu machen begründet der grüne Parteivorstand ganz offen mit dem Slogan: Wir machen Politik für die Realität und nicht für die Gesellschaft, wie wir sie uns wünschen.

Es geht auch anders
Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit lassen sich in Einklang bringen, wenn man die Bodenrenten abschöpft und wenn sich das Kapital zu Null- oder Minuszins anbietet. Mit Einnahmen aus einer aktiven Grundsteuer liessen sich vor Ort viele sinnvolle Projekte und Maßnahmen finanzieren. Und bei Kapitalmarktzinsen um null lassen sich, ohne negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und die Volkswirtschaft, angemessene Umweltschutzauflagen durchsetzen. Das hat die zurückliegende Dekade eindrucksvoll gezeigt.

Lesen Sie hierzu auch: »Stärkung der Konjunktur durch permanentes Wirtschaftswachstum?« und »Klimarettung auf dem Irrweg«

Klaus Willemsen, 9.1.2023

Verwendete Quellen:

https://www.brandeins.de/magazine/brand-eins-wirtschaftsmagazin/2022/design/umbau-statt-abriss?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE

https://www.inwo.de/medienkommentare/staerkung-der-konjunktur-durch-permanentes-wirtschaftswachstum.html

https://www.inwo.de/medienkommentare/klimarettung-auf-dem-irrweg.html