„Wie kann es sein...?“

Die Bundesvorsitzende des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC), Rebecca Peters, zeigt sich verwundert darüber, dass die Bundesregierung bei der ohnehin bescheidenen Förderung der Radverkehrsinfrastruktur sparen will.

»Wie kann es sein, dass Deutschland die Klimaziele im Verkehr krachend verfehlt - und trotzdem die Mittel für den Radverkehr zusammenstreicht?« fragt Frau Peters in der “ADFC Radwelt” und stellt scheinbar verblüfft fest: »von einer Ausbauoffensive für den Radverkehr, wie sie die Ampel-Koalition im März mit ihrem Modernisierungspaket beschlossen hat, kann keine Rede sein.« Diese Verwunderung ist Resultat und Ausdruck für eine weit verbreitete Ignoranz einer wohlwollenden Zivilgesellschaft gegenüber den realen Verhältnissen. Beim Fahrrad-Club, wie in den meisten anderen NGO´s auch, weigert man sich seit je her beharrlich, politisches Handeln ökonomisch zu hinterfragen.

Selbstverständlich ist es sinnvoll und notwendig die Fahrrad-Infrastruktur in Deutschland massiv auszubauen. Schon ein Bruchteil der Subventionen, die heute für PKW´s und den Fernstraßenbau ausgegeben werden, könnte die Situation entscheidend verbessern. Für die Verkehrswende gibt es unzählige, absolut überzeugende Argumente. Mit den Interessen der Finanzmärkte stimmen deren Ziele jedoch nicht wirklich überein.

Eine Verkehrswende ist ökonomisch nicht gewollt
Die konsequente Verkehrswende hätte auch und vor allem ökonomische Konsequenzen: weniger und kleinere PKW, niedrigere Produktionszahlen und geringere Dividenden für milliardenschwere Investitionen. Bei den maßgeblichen politischen Entscheidungen geht es um Finanzinvestitionen in Größenordnungen, die durch Radwegebau und den Fahrradmarkt nicht kompensiert werden können. Die Politik der Bundesregierung folgt den Forderungen der Finanzinvestoren, weil sie keine Idee davon hat, wie man die Wirtschaft auch bei rückläufigem Umsatz und mit sinkenden Renditen resilient und lukrativ macht.

Positive Zinssätze verlangen am Markt entsprechend hohe Renditen, und diese setzen entsprechendes Wirtschaftswachstum voraus. Verschärfend kommt hinzu, dass die Politik der hohen Zinsen im Bundeshaushalt 40 Milliarden Euro für Zinszahlungen verursacht . Diese müssen im Etat eingespart werden , ohne nennenswerte Folgen für die Finanzinvestition zu verursachen. Gut gemeinte Ziele für die Menschen, für die Umwelt und für unser Gemeinwesen können nur insoweit umgesetzt werden, wenn sie kostenneutral bleiben.

An Frau Peters gerichtet, muss ich mit Bedauern etwas überheblich antworten: Wie kann es sein, dass Ihr Verband politisch naiv und ökonomisch blind, Politik für Millionen Bürger*innen und Mitglieder machen will?

Lesen Sie hierzu auch: »Systemfragen ehrlich und zukunftsgewandt beantworten«, »Was bräuchte es, um Wirtschaft und Natur in Einklang zu bringen?« und »Stärkung der Konjunktur durch permanentes Wirtschaftswachstum?«.

Klaus Willemsen, 21.9.2023

Verwendete Quellen:

https://www.adfc.de/artikel/bundeshaushalt-adfc-kritisiert-drastische-mittelkuerzungen-beim-radverkehr

https://inwo.de/medienkommentare/systemfragen-ehrlich-und-zukunftsgewandt-beantworten.html

https://inwo.de/medienkommentare/was-braeuchte-es-um-wirtschaft-und-natur-in-einklang-zu-bringen.html

https://inwo.de/medienkommentare/staerkung-der-konjunktur-durch-permanentes-wirtschaftswachstum.html