Zuviel Geld auf der hohen Kante

Die Unternehmensberatung Ernst & Young hat ermittelt, dass die liquiden Reserven der DAX-Konzerne im letzten Jahr um 9 % zugenommen haben. In vielen Konzernen übersteigen die "Reserven" die Summe der Investitionen, in manchen Konzernen um ein Vielfaches. Für DIE ZEIT ist dies eine Folge der Finanzkrise. Es ist eine weitgehend unterschätzte Bedrohung für unser Wirtschaftssystem und die Stabilität unserer Währung.

Die allgemeinen Konsequenzen der Geldflut haben wir an dieser Stelle wiederholt thematisiert. Die Entwicklung der Bodenpreise und die Gefahren der Blasenbildung in den unterschiedlichen Märkten werden allgemein als Probleme wahrgenommen. DIE ZEIT macht auf eine weitere ungesunde Entwicklung aufmerksam: „Auch eine Folge der Finanzkrise: Die Finanzreserven der großen Konzerne sind im vergangenen Jahr stark gestiegen.“ Man könnte es als positiv bewerten, dass Konzerne Rücklagen bilden, anstatt Schulden anzuhäufen. Die Größenordnung, um die es hier geht, ist jedoch ein Indiz dafür, dass die Geldzirkulation nicht mehr reibungslos funktioniert.

„Der Autokonzern Volkswagen hat rund 22 Milliarden Euro in der Kasse, rund 14 Prozent mehr als noch im Vorjahr.“ „Wie viel das ist, wird im Vergleich zum Umsatz deutlich: Volkswagen, der umsatzstärkste Konzern unter den Dax-Unternehmen, erlöste im ersten Quartal 2014 rund 48 Milliarden Euro. Ins laufende Geschäft hat Volkswagen im gleichen Zeitraum übrigens nur knapp drei Milliarden Euro investiert.“

Einen Großteil seines Umsatzes erzielt der VW-Konzern mittlerweile mit Geldgeschäften. Doch diese Bereiche, wie auch die Geld- und Bankgeschäfte aller übrigen Unternehmen, haben Ernst & Young aus ihrer Statistik herausgerechnet. Die Verfügung über Liquidität ist in Zeiten niedriger Leitzinssätze nicht mehr das Privileg der Banken. Dass diese Liquidität in den Konzernen bleibt und nicht an die Kapitalbesitzer ausgeschüttet wird, ist ebenfalls die Konsequenz der niedrigen Zinsen.

Die Dimension der Liquidität hat ein Ausmaß angenommen, das das Gleichgewicht einer Ökonomie empfindlich beschädigen kann. Liquidität muss, auch und gerade in Zeiten niedrigerer Zinssätze, einen angemessenen Preis haben. Die Rede des EZB-Direktoriumsmitglieds Benoît Cœuré, die er am 9.9.2014 in Frankfurt am Main vor der Geldmarkt-Kontaktgruppe der EZB hielt, weist auf diese völlig neue Entwicklung hin. Siehe dazu „Leben unter Null Prozent“ bei TELEPOLIS und Brauchen Banken eine Geldgebühr im INWO-Medienspiegel.

Klaus Willemsen, 16.9.2014

Verwendete Quellen:
www.zeit.de/wirtschaft/unternehmen/2014-08/infografik-dax-konzerne-liquide-mittel
www.bis.org/review/r140911a.htm
www.heise.de/tp/artikel/42/42760/1.html/1
inwo.de/medienkommentare/brauchen-banken-eine-geldgebuehr.html