Inhalt:
1. Aktuelles
Neues von der Grundsteuerreform:
Am 23. September haben die Länder Hessen und Niedersachsen, stellvertretend für insgesamt 14 Länder (ohne Bayern und Hamburg), einen Gesetzesantrag entsprechend ihrem im Juni angekündigten Vorhaben in den Bundesrat eingebracht. Damit ist das Gesetzgebungsverfahren für eine aus unserer Sicht untaugliche Reform der Grundsteuer offiziell eröffnet. Womöglich beschließt der Bundesrat bereits im November; eine Mehrheit dort dürfte sicher sein. Danach gelangt der Gesetzesantrag in den Bundestag. Nur falls auch der Bundestag zustimmt, kommt es zum Gesetz. Das darf nicht geschehen!
Ein qualifizierter neuer Unterstützer des Aufrufs Grundsteuer: Zeitgemäß ist der Bund Deutscher Architekten (BDA). Haben Sie schon unterzeichnet? Informieren Sie Ihren Bundestagsabgeordneten!
Im Betriebs Berater vom August erschien ein ausführlicher Fachartikel Zum neuen Grundsteuer-Reformmodell der Länderfinanzminister – gerecht und verlässlich? von Prof. Dirk Löhr.
Am 8. September erschien zu diesem Thema in der Gastwirtschaft der Frankfurter Rundschau Beate Bocktings Beitrag Brisante Reform. Ihre nächste Kolumne erscheint voraussichtlich am Freitag, den 4. November.
In Fairconomy 3/2016 gibt es unter anderem die Buchvorstellung von „Die Stadt und ihr Boden“, des im letzten Newsletter vorgestellten Hans Bernoulli.
Nach der thüringischen Skatbank, die bereits Ende 2014 Negativzinsen für Privatkunden einführte, hat sich nun auch die Raiffeisenbank Gmund am Tegernsee getraut: Sie berechnet seit dem 1. September -0,4 % Zinsen bei Privatkunden, die bei ihr mehr als 100.000 Euro auf Giro- oder Tagesgeldkonten parken. Die Volksbank Stendal tut es ihr seit dem 1. Oktober gleich. Nach Medienberichten, z.B. in der FAZ vom 06. September, erwägen weitere Banken Negativzinsen für Privatkunden, insbesondere weil die DZ-Bank als genossenschaftliches Zentralinstitut schon seit August die negativen Einlagenzinsen der EZB voll weiterreicht. Die INWO begrüßt diese Entwicklung in Richtung Umlaufsicherung. Sie ist ökonomisch viel sinnvoller und außerdem sozialer als die oftmals pauschalen Gebührenanhebungen, mit denen andere Banken dem Ertragsrückgang im Zinsgeschäft begegnen.
Am 10.11. ist Gerichtstermin für Attac: Sind politische Aktivitäten mit Gemeinnützigkeit vereinbar, oder stehen sie einer Gemeinnützigkeit entgegen? Diese Frage ist für die INWO nicht nur als Attac-Mitgliedsorganisation von Interesse...
Seit der diesjährigen Mitglieder-Versammlung haben wir einen neuen Facebook-Verantwortlichen, so dass in diesem weitgehend geschlossenen kommerziellen Privatnetz jetzt auch häufiger Neuigkeiten von uns erscheinen. Wer Facebook nutzt, kann uns dort abonnieren - für alle anderen haben wir für unsere Medienkommentare auch ein etabliertes, offenes Nachrichten-Sammelsystem: einen RSS-Feed.
Der NABU sucht für sein Team Naturschutz und Landnutzung im Fachbereich Naturschutz und Umweltpolitik in der Bundesgeschäftsstelle in Berlin zum 01.12.2016 eine/n Referent/in „Siedlungsentwicklung“ mit den Schwerpunkten Innenentwicklung undGrundsteuerreform. Bewerbungsfrist ist der 30. Oktober.
2. Termine
Sa., 29.- So., 30. Oktober, Wuppertal: 58. Mündener Gespräche: Ressourcen und Klima als Menschheitsgüter.
Sa., 29. - So., 30. Oktober, Marburg: Regionalkonferenz Nachhaltig Handeln. Mit Michael Kopatz, Niko Paech, Steffen Henke, Annette Jense und anderen.
Fr., 18. - So, 20. November, Wuppertal: Jahresfeier Humane Wirtschaft. Vorträge, Workshops und Begegnungen von Lesern, Autoren und Referenten. Unter anderem mit: Prof. Felix Fuders, Uwe Lübbermann (Premium-Cola) und Andreas Neukirch (GLS-Bank).
Besonders hervorzuheben: das Tagesspezialseminar 'Wissen vertiefen - Selbstbewusstsein stärken' mit dem INWO-Mitglied und Geschäftsführer der Neues Geld gGmbHSteffen Henke am Freitag, den 18. November. INWO-Mitglieder (und Abonnenten der Humanen Wirtschaft) zahlen nur einen ermäßigten Beitrag von 79 € (statt 99).
11. und 12. März 2017, Wuppertal: 59. Mündener Gespräche (siehe 58. Gespräche oben).
Irrtümer und Änderungen vorbehalten. Mehr lokale und aktualisierte Termine stehen immer im INWO-Terminkalender.
3. Interessantes aus Netz und Medien
Mit der hartaberfair-Ausgabe Minus-Zinsen, Extra-Gebühren – Retten sich die Banken auf Kosten der Kunden? vom 24.10. ist unser Thema (indirekt) zur Hauptsendezeit im „Ersten“ angekommen. Gäste: Uwe Fröhlich, Präsident des Bundesverbandes der Volks- und Raiffeinsenbanken, Sahra Wagenknecht, Thomas Mayer (ehemals Deutsche Bank), Norbert Walter-Borjahns, SPD, Finanzminister NRW und Heinz Landwehr, Chefredakteur von Finanztest. Im Medienkommentar zur Sendung kritisiert Klaus Willemsen vor allem den Moderator Frank Plasberg sehr.
In der Gastwirtschaft kam am 25.10. auch wieder Andreas Bangemann (Humane Wirtschaft) zu Wort, mit Wider das Horten.
Passend zum Spiele-Tipp in Fairconomy-Newsletter #58 wiesen die Nachdenkseiten am 25.07.2016 auf die ausgezeichnete Tagesspiegel-Reportage Europoly hin.
Gerald Braunberger, Wirtschaftsredakteur der F.A.Z., berichtete in Fazit - das Wirtschaftsblog
über das diesjährige geldpolitische Treffen in Jackson Hole.
Er hob besonders das Plädoyer des „sehr erfahrenen“ amerikanischen Ökonomen
Marvin Goodfriend für einen negativen Leitzins hervor:
„Goodfriends Motto 'Befreit die Geldpolitik von der Zinsuntergrenze' beruht auf seiner Überzeugung, dass ein negativer Leitzins möglich sein muss, um in künftigen Wirtschaftskrisen überhaupt mit Erfolgsaussichten eine expansive Geldpolitik betreiben zu können.“
Eden, ©Stefan Bartylla
Dietrich Heißenbüttel berichtete am 7. September in Kontext über den Niedergang der Obstbaukolonie Eden, die vor 123 Jahren von Berliner Vegetariern gegründet wurde. Ihr damaliges Ziel: "Unter Gleichgesinnten wohnen, den eigenen Bedarf an Obst und Gemüse in bester Qualität selbst anbauen, die Kinder recht gesund und frei aufziehen können und solchen Vegetariern, die mit ihrem vielleicht naturwidrigen, schädlichen Beruf unzufrieden waren, sowie auch ganz unbemittelten Gesinnungsgenossen eine Daseinsmöglichkeit auf naturgemäßer Grundlage schaffen." In Eden hatte Silvio Gesell, der selbst einige Jahre dort lebte, seine Vorstellungen weitgehend verwirklicht gesehen. Der „Sündenfall“ begann nach dem Mauerfall mit dem Verkauf der Marke Eden an den Sandoz-Konzern und setzte sich mit riskanten Kapitalanlagen fort, wodurch die Genossenschaft infolge der Bankenkrise 2008 10 Millionen Euro verlor.
Schäuble spart 122 Milliarden durch EZB-Politik betitelt der Spiegel (am 06.09.) eine kleine Meldung zum Handelsblatt-Bericht über eine parlamentarische Anfrage der Grünen.
Als INWOler werden wir oft gefragt, was passieren würde, wenn Freigeld eingeführt würde. Nun hat ein Meinungsforschungsinstitut im Auftrag des Online-Finanzmarktplatzes Saveto eine Befragung zu den Negativzinsen, quasi einer Vorstufe von Freigeld, durchgeführt - wobei allerdings kaum Überraschendes zu Tage kam: 1. Bargeld zu Hause (55%), 2. Weniger sparen (34%), 3. Immobilien kaufen (15%). Mit der von uns geforderten Gebühr auf Bargeld wäre 1. nicht mehr attraktiv und mit Freiland würde Land nicht mehr zur Vermögensanlage taugen, allein gute Bausubstanz (sofern noch nachgefragt). Dass Negativzinsen gerade nicht auf wirkliche Sparkonten (mit Kündigungsfrist) angewandt werden bräuchten, da in dem Fall ja jemand anders die Liquidität hätte, war bei der Umfrage anscheinend nicht klar, wie so oft...
4. Film- und Buchtipps
Der ehemalige Chefökonom des Internationalen Währungsfonds (IWF), Kenneth S. Rogoff, tritt schon seit längerer Zeit für eine Abschaffung des Bargelds ein, nicht nur, um so kriminellen Missbrauch zu verhindern, sondern vor allem, damit die Zentralbanken die nächste Rezession effektiv bekämpfen können. In seinem neuen Buch „Der Fluch des Geldes - Warum unser Bargeld verschwinden wird“ gibt er aber zu, dass es auch andere Wege zum Negativzins gibt: „Eine zweite Idee, die vor mehr als hundert Jahren von dem herausragenden deutschen Wirtschaftswissenschaftler Silvio Gesell entwickelt wurde, ist die Zahlung kleiner periodischer Steuern auf das Bargeld, das man besitzt. Auch wenn die Idee ziemlich unpraktikabel erschien, als er sie vorschlug, wurde sie während der Weltwirtschaftskrise ausprobiert, und dank moderner Technologien gäbe es heute viel weniger mühselige Möglichkeiten, sie umzusetzen.“ (S. 206) Schon in der Einleitung hebt er die Bedeutung Gesells hervor: „Gesells Lösung für die Liquiditätsfalle bereitete den Weg für Keynes' berühmte Schlussfolgerung, die Regierungsausgaben seien der Schlüssel zum ökonomischen Aufstieg aus der Weltwirtschaftskrise. Womöglich käme Keynes heutzutage zu einem völlig anderen Schluss (...). Es ist heute keinesfalls mehr unpraktikabel, negative (oder positive) Zinsen auf elektronische Währungen zu zahlen.“ (S. 15)
Der Finanzprofessor Christian Kreiß hat mit seinem aktuellen Buch eine umfassende Kritik der kommerziellen Werbung zusammengestellt. Unter Berücksichtigung historischer Entwicklungen zeigt er anhand von Fallbeispielen (Zigaretten-, Kosmetik-, Alkohol-, Lebensmittel und Kinder-Werbung), wie schädlich Werbung aus volkswirtschaftlicher, politischer und ethischer Perspektive ist.
Besonders der volkswirtschaftliche Aspekt macht die Argumentation aus freiwirtschaftlicher Sicht interessant, denn hier zeichnet sich eine Parallele ab: „Medikamente sind durch die Marketingausgaben im Durchschnitt etwa 33 – 50% teurer, als sie ohne die Marketingausgaben wären“(S. 41). Damit liegen in diesem Segment die vermeidbaren Mehrkosten durch Werbung im Bereich des von uns angenommenen in allen Preisen enthaltenen durchschnittlichen Zinsanteils von mindestens 30% (wobei der in einzelnen Bereichen, z.B. Wohnen, deutlich über 50% beträgt und dieses sich für die meisten Menschen auch stärker auswirkt, als überhöhte Medikamenten-Preise). Über den wirtschaftlichen Schaden hinaus verursacht Medikamentenwerbung allerdings noch direkt gesundheitliche Schäden, denn es „ist nicht im Interesse eines Pharmaherstellers, dass das beste auf dem Markt befindliche Medikament verschrieben wird“ (S. 39) - sondern natürlich das eigene und außerdem von den eigenen dasjenige mit der höchsten Gewinnspanne.
Christian Kreiß ist unter anderem Autor des in Newsletter #42 vorgestellten Profitwahn.
5. Das Wort zum ... Schluss
Im Namen moralischer Prinzipien, rationell abgeleitet aus moralischen Definitionen, sage ich, dass wir die Renten gemeinsam und unsere Löhne individuell konsumieren müssen. ... Man muss also, während wir dem Einzelnen den vollen Besitz seiner persönlichen Fähigkeiten, seiner Arbeit und seines Lohnes lassen, die Rente in den Besitz des Staates überführen.
Der französische Ökonom Léon Walras in: Études d'économie appliquée, 1898, S. 473
Mit freundlichen Grüßen
Vlado Plaga und Mitstreiter